Wie die richtige Ernährung den Therapieerfolg und die Lebensqualität bei Krebserkrankungen beeinflussen kann – Dr. Masin erklärt evidenzbasierte Konzepte für verschiedene Behandlungsphasen.
In der onkologischen Ernährungstherapie setzt Markus Masin auf differenzierte Konzepte, die sowohl die spezifische Tumorerkrankung als auch die individuellen Therapienebenwirkungen und den Ernährungszustand des Patienten berücksichtigen – vom präventiven Ansatz über die therapiebegleitende Ernährung bis zur palliativen Versorgung.
Die Forschungsarbeit an der Diabetologie Münster des UKM, bei welcher Dr. Masin bis einschließlich 2015 tätig war, zeigt: Eine spezialisierte Ernährungstherapie kann die Verträglichkeit onkologischer Behandlungen verbessern und das Risiko für Mangelernährung signifikant reduzieren. Prof. Dr. Markus Masin entwickelt individualisierte Ernährungskonzepte, die gezielt auf die spezifischen Herausforderungen verschiedener Krebserkrankungen und Therapiephasen abgestimmt sind.
Inhaltsverzeichnis
Ernährung und Krebs: Ein komplexes Wechselspiel
Die Bedeutung der Ernährung bei Krebserkrankungen ist vielschichtig und erstreckt sich über alle Phasen – von der Prävention über die akute Behandlung bis zur Nachsorge. Etwa 30–80 % aller Krebspatienten entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine Mangelernährung, die nicht nur die Lebensqualität beeinträchtigt, sondern auch den Therapieerfolg gefährden kann.
„Die onkologische Ernährungsmedizin steht vor der Herausforderung, gleichzeitig den erhöhten Nährstoffbedarf zu decken, therapiebedingte Ernährungsprobleme zu kompensieren und dabei die spezifischen metabolischen Veränderungen bei Tumorerkrankungen zu berücksichtigen“, erklärt der Professor für Ernährungsmedizin in seinen Fachvorträgen.
Dabei ist eine differenzierte Betrachtung essenziell: Je nach Tumorart, Erkrankungsstadium und Therapieform ergeben sich unterschiedliche ernährungsmedizinische Anforderungen. Während bei manchen Tumorerkrankungen die Vermeidung von Mangelernährung im Vordergrund steht, geht es bei anderen primär um die Linderung therapiebedingter Ernährungsprobleme oder um spezifische metabolische Interventionen.
Die wissenschaftliche Evidenz in diesem Bereich hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Systematische Reviews und klinische Studien zeigen, dass eine frühzeitige und gezielte Ernährungsintervention zu einer signifikanten Verbesserung des Ernährungszustands, einer besseren Therapieverträglichkeit und in vielen Fällen auch zu einer verbesserten Prognose führen kann.
Onkologisches Ernährungsscreening und Assessments nach Dr. Masin
Die Grundlage jeder erfolgreichen ernährungsmedizinischen Intervention ist ein systematisches Screening und Assessment der Ernährungssituation. Der Ernährungsexperte hat hierfür ein mehrstufiges Konzept entwickelt, das speziell auf die Besonderheiten onkologischer Patienten zugeschnitten ist.
„Ein onkologisches Ernährungsscreening muss nicht nur den aktuellen Ernährungszustand erfassen, sondern auch das individuelle Risiko für eine Verschlechterung während der Therapie prognostizieren“, betont der Experte. „Nur so können wir präventiv handeln und Ernährungsprobleme vermeiden, bevor sie klinisch relevant werden.“
Das von ihm entwickelte Screeningkonzept umfasst drei Kernelemente:
- Ernährungszustand: Erfassung von Gewichtsverlauf, Body-Mass-Index, Körperzusammensetzung und funktionellen Parametern
- Ernährungshindernisse: Systematische Erfassung von Symptomen wie Appetitlosigkeit, Geschmacksveränderungen, Übelkeit, Schluckstörungen oder Verdauungsproblemen
- Metabolisches Risiko: Beurteilung des Risikos für eine katabole Stoffwechsellage, basierend auf Tumortyp, Therapieform und biochemischen Markern
Differenzierte Assessments für verschiedene Tumorarten
Je nach Tumorlokalisation und Therapieform kommen spezialisierte Assessments zum Einsatz. Markus Masin hat für unterschiedliche onkologische Erkrankungsbilder spezifische Bewertungsinstrumente entwickelt:
- Bei Kopf-Hals-Tumoren steht die Erfassung von Kau- und Schluckfunktion im Vordergrund
- Bei gastrointestinalen Tumoren werden Resorptionskapazität und funktionelle Darmreserve evaluiert
- Bei hämatologischen Erkrankungen liegt ein besonderer Fokus auf der immunologischen Komponente der Ernährung
- Bei hormonabhängigen Tumoren werden metabolische Parameter und Körperzusammensetzung detailliert analysiert
„Diese differenzierte Betrachtung ermöglicht uns eine präzisere Risikostratifizierung und damit eine zielgerichtetere Intervention“, erklärt der Medizinwissenschaftler. „Ein Patient mit Ösophaguskarzinom benötigt andere ernährungsmedizinische Maßnahmen als jemand mit Pankreaskarzinom oder Lymphom.“
Frühzeitige Integration der Ernährungstherapie in den Behandlungspfad
Ein besonderes Anliegen von Prof. Dr. Markus Masin ist die frühzeitige Integration der Ernährungstherapie in den onkologischen Behandlungspfad. An der Diabetologie Münster des UKM, bei welcher er bis 2015 tätig war, wurde ein Modell etabliert, bei dem jeder onkologische Patient bereits bei Diagnosestellung ein Ernährungsscreening erhält und bei Bedarf sofort eine ernährungsmedizinische Mitbetreuung eingeleitet wird.
„Die traditionelle Reaktion ‚erst abwarten, bis Probleme auftreten‘ ist bei onkologischen Patienten kontraproduktiv“, betont der Ernährungsspezialist. „Jedes Kilogramm Gewichtsverlust, das wir vermeiden können, verbessert die Prognose und Therapieverträglichkeit.“
Studien zeigen, dass eine präventive Ernährungsintervention die Rate an Therapieunterbrechungen reduzieren, die Lebensqualität verbessern und in vielen Fällen auch das Gesamtüberleben positiv beeinflussen kann.
Maßgeschneiderte Ernährungskonzepte für onkologische Patienten
Die ernährungsmedizinische Betreuung onkologischer Patienten erfordert ein hohes Maß an Individualisierung. Der Ernährungsmediziner unterscheidet dabei verschiedene Interventionsebenen, die je nach individueller Situation kombiniert werden:
- Orale Ernährungsoptimierung: Anpassung der normalen Ernährung an die veränderten Bedürfnisse und Einschränkungen
- Orale Nahrungssupplementierung: Ergänzung der normalen Ernährung durch hochkalorische und nährstoffreiche Spezialnahrungen
- Enterale Ernährung: Sondenernährung bei unzureichender oraler Nahrungsaufnahme
- Parenterale Ernährung: Intravenöse Ernährung bei schwerwiegenden Resorptionsstörungen oder gastrointestinaler Insuffizienz
„Die Wahl der geeigneten Interventionsebene folgt dem Prinzip ‚so natürlich wie möglich, so interventionell wie nötig’“, erklärt Dr. Masin. „Dabei stehen die Praktikabilität im Alltag und die Lebensqualität des Patienten immer im Mittelpunkt.“
Symptomorientierte Ernährungsinterventionen
Eine Besonderheit der onkologischen Ernährungstherapie ist der symptomorientierte Ansatz. Viele Krebspatienten leiden unter spezifischen Symptomen, die die Nahrungsaufnahme erschweren und einen maßgeschneiderten Ansatz erfordern.
Markus Masin hat für verschiedene häufige Symptome spezifische Interventionsstrategien entwickelt:
- Bei Geschmacksveränderungen: Anpassung der Gewürze, Temperaturen und Texturen
- Bei Schluckstörungen: Modifikation der Konsistenz und Viskosität
- Bei Übelkeit: Anpassung von Mahlzeitenfrequenz, -volumen und -zusammensetzung
- Bei Diarrhoe: Ballaststoffmodifikation und Anpassung der Osmolarität
- Bei Fatigue: Energiedichte Mahlzeiten mit geringem Zubereitungsaufwand
„Die symptomorientierte Ernährungstherapie kann die Lebensqualität onkologischer Patienten erheblich verbessern“, betont der Medizinwissenschaftler. „Oft sind es kleine, aber gezielte Anpassungen, die den entscheidenden Unterschied machen.“
Spezielle Ernährungskonzepte für die Tumortherapie
Bestimmte onkologische Behandlungen erfordern spezifische Ernährungsanpassungen, um ihre Verträglichkeit zu optimieren und Nebenwirkungen zu reduzieren. Prof. Dr. Masin hat hierfür evidenzbasierte Konzepte entwickelt:
- Strahlentherapie: Angepasste Ernährung bei Bestrahlung verschiedener Körperregionen, insbesondere des Gastrointestinaltrakts
- Chemotherapie: Spezifische Ernährungsstrategien für verschiedene Chemotherapeutika und ihre typischen Nebenwirkungen
- Immuntherapie: Ernährungskonzepte zur Unterstützung der Immunfunktion und Reduktion immunvermittelter Nebenwirkungen
- Zielgerichtete Therapien: Anpassungen an die spezifischen metabolischen Effekte dieser Wirkstoffe
„Die Ernährungstherapie muss sich dynamisch an den Behandlungsverlauf anpassen“, erklärt Prof. Dr. Markus Masin. „Was in der Induktionsphase einer Chemotherapie richtig ist, kann während der Erhaltungstherapie oder nach Abschluss der Behandlung ganz anders aussehen.“
Ernährung in der onkologischen Nachsorge und Prävention
Nach Abschluss der akuten Tumortherapie rücken langfristige Aspekte der Ernährung in den Vordergrund. Hier geht es zum einen um die Wiederherstellung eines optimalen Ernährungszustands, zum anderen um präventive Aspekte hinsichtlich Rezidiven und Zweitmalignomen.
„Die Ernährung nach überstandener Krebserkrankung hat multiple Ziele“, betont der Ernährungsexperte. „Sie soll die Erholung unterstützen, Spätfolgen der Therapie kompensieren und gleichzeitig das Risiko für Rezidive reduzieren.“
Die wissenschaftliche Evidenz in diesem Bereich deutet auf die Wirksamkeit eines vorwiegend pflanzlichen, nährstoffdichten Ernährungsmusters hin, das reich an sekundären Pflanzenstoffen, Ballaststoffen und ungesättigten Fettsäuren ist, während hoch verarbeitete Lebensmittel, rotes Fleisch und Alkohol limitiert werden sollten.
In der praktischen Umsetzung setzt der Experte auf einen flexiblen, lebensstilorientierten Ansatz, der die individuellen Präferenzen und Lebensumstände berücksichtigt. „Die beste Ernährungsempfehlung nützt nichts, wenn sie im Alltag nicht umsetzbar ist“, betont er. „Unser Ziel ist eine nachhaltige Ernährungsumstellung, die langfristig beibehalten werden kann.“
Die onkologische Ernährungsmedizin hat sich in den letzten Jahren als wichtige Säule der supportiven Onkologie etabliert. Durch die systematische Integration evidenzbasierter Ernährungskonzepte in den onkologischen Behandlungspfad können die Therapieverträglichkeit verbessert, Komplikationen reduziert und die Lebensqualität onkologischer Patienten nachhaltig gesteigert werden – ein Ziel, für das sich Ernährungsmediziner mit besonderem Engagement einsetzen.
Prof. Dr. Markus Masin engagiert sicht über seine gemeinnützige Stiftung www.dsgme.org für eine strukturierte Unterstützung von Patienten im Bereich der Ernährungsmedizin. In diesem Rahmeni ist er monatlich konsiliarisch in einer ärztlich zugelassenen Praxis in Münster tätig – ausschließlich gemeinnützig und unter Verantwortung der dort behandelnden Ärzte. Seine wissenschaftliche ARbeit wird über das staatlich anerkannte Institut für Ernährungsmedizin in Riga koordiniert: www.minst.lv.